Veranstaltungsrückblick/Pressemitteilung

Gesundheitspolitik – bleibt der Patient auf der Strecke?

Dr. Monika Baumann

Dr. Baumann erläuterte zunächst die Zusammenhänge zwischen alternder Gesellschaft und der Kostenentwicklung im Gesundheitswesen: die höchsten Kosten verursacht die Altersgruppe der 65- bis 85-Jährigen, gefolgt von den 45- bis 65-Jährigen. Im Jahr 2006 wurden in Deutschland je EinwohnerIn  2.870,- Euro an Krankheitskosten ausgegeben. Von den Gesamtkosten entfallen je circa 15 Prozent auf Arztpraxen und Apotheken, 36 Prozent auf stationäre/teilstationäre Einrichtungen, 26 Prozent auf Krankenhäuser und knapp 6 Prozent auf die Verwaltung (2007). Das Gesundheitswesen ist in Deutschland der Sektor mir der stärksten Wirtschaftskraft. In diesem Jahr werden rund 168 Milliarden Euro aus dem Gesundheitsfond verteilt.

Seit Jahren versucht die Politik, die steigenden Krankheitskosten in den Griff zu bekommen. 2004 wurde beispielsweise die Praxisgebühr eingeführt, die allerdings nicht zu dem erwarteten Ergebnis führte. Anstelle einer Verminderung der Arztbesuche stiegen die Arztkontakte seither pro PatientIn und Jahr auf durchschnittlich 18 an. Weiter führte Dr. Baumann aus, dass die Einführung der Fallpauschalen bei der Behandlung im Krankenhaus zu für den Patienten oft nicht zuträglichen kurzen Liegezeiten und massiven Einschränkungen bei der Nachsorge führte– insbesondere bei kompliziertem Verlauf und bei Patienten mit mehreren Erkrankungen, sowie Personal- und Bettenabbau inklusive Klinikschließungen. Trotz andauernden Bettenabbaus nimmt die Bettenauslastung kontinuierlich ab und die Wege für die Patienten zum nächsten Krankenhaus werden insbesondere in ländlichen Regionen immer weiter. Steigende Zuzahlungen und Leistungseinschränkungen höhlen das Solidarprinzip, nachdem jedem Menschen unabhängig vom Geldbeutel die medizinisch notwendige Versorgung zuteil wird, immer stärker aus.

Durch die Regelungen des Gesundheitsfonds, der vom neu geschaffenen Bundesversicherungsamt verwaltet wird und in den neben den Beiträgen der in den gesetzlichen Kassen Versicherten auch Steuermittel einfließen, bekommen die gesetzlichen Krankenkassen eine Grundpauschale pro Mitglied zugewiesen. Diese Grundpauschale wird mit Abschlägen für junge und/oder gesunde Mitglieder versehen, während bestimmte Krankheiten und chronische Erkrankungen Aufschläge verursachen. Dieser morbiditätsorientierte Risikostrukturausgleich führt dazu, dass die Kassen nunmehr daran interessiert sind, möglichst viele Mitglieder mit den entsprechenden Diagnosen aufzuweisen, um entsprechend höhere Zuweisungen aus dem Gesundheitsfond zu erhalten. Prävention und Gesundheitsförderung spielen in diesem System keine Rolle. Verglichen mit dem abgelösten System verursacht der Gesundheitsfond einen erheblich größeren bürokratischen Aufwand.

Schließlich benannte Dr. Baumann die Ziele der GRÜNEN: die Sicherstellung einer medizinisch notwendigen Versorgung für alle Menschen – unabhängig von Einkommen, Geschlecht, Herkunft, sozialer Lage und Wohnort. Gesundheitsförderung und Prävention soll bereits in früher Kindheit einsetzen und gefördert werden. Finanziert werden soll das Gesundheitssystem durch eine Bürgerversicherung, in die alle gemäß ihrer tatsächlichen Leistungsfähigkeit, also unter Berücksichtigung aller Einkünfte, einbezahlen. Es ist nicht einzusehen, dass ganze Berufsgruppen und Besserverdienende aus der Solidarität mit den gesetzlich Versicherten entlassen sind.

In der anschließenden Diskussion wurde von anwesenden niedergelassenen Ärzten kritisiert, dass die kürzlich erfolgte vorläufige Abrechnung des ersten Quartals 2009 kein realistisches Bild abgebe. Um den zu erwartenden Einbruch der Einnahmen kurz vor der Bundestagswahl abzuwenden, wurden Zuschüsse ausgereicht, mit denen künftig nicht mehr gerechnet werden kann. Demnach würden die Auswirkungen der letzten Stufe der Gesundheitsreform in Form von drastischen Einkommensverlusten für viele Facharztbereiche erst im Herbst voll durchschlagen.

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