Rekommunalisierung der Stromversorgung in Olching – eine Gegenrede

Der Olchinger Gemeinderat wird voraussichtlich in seiner nächsten Sitzung im Mai darüber entscheiden, ob – und falls ja, mit welchem Partner – eine gemeindliche Strombetriebsgesellschaft gegründet werden soll. Da der Gemeinde sowohl das technische als auch das betriebswirtschaftliche know-how zum Führen eines derartigen Betriebes fehlt, kommt nur die Zusammenarbeit mit einem kompetenten Kooperationspartner in Frage. Bei den Verhandlungen mit den potentiellen Vertragspartnern lässt sich die Gemeinde von einer u.a. auf diesen Bereich spezialisierten, führenden Wirtschaftskanzlei beraten.

Da die Beratungen in dieser Angelegenheit im Gemeinderat und seinen Ausschüssen unter Hinweis auf rechtliche Gründe nahezu ausschließlich hinter verschlossenen Türen stattfinden, gestaltet sich folglich die Diskussion in der Öffentlichkeit recht schwierig. Das nun von der Olchinger CSU-Fraktion unter Federführung ihres (großen) Vorsitzenden Dr. Tomas Bauer jüngst in Umlauf gebrachte Papier, kann kaum als seriöse Information durchgehen und erst recht nicht unwidersprochen hingenommen werden.

Als Ergebnis jahrelanger Verhandlungen liegen nun – neben der Möglichkeit alles beim Alten zu belassen und lediglich die abgelaufene Konzession neu zu vergeben – vertragsreife Angebote der Stadtwerke Schwäbisch Hall und von e.on gemeinsam mit den Stadtwerken Fürstenfeldbruck vor. Während die Verhandlungen mit den Haller Stadtwerken zügig vorangingen und der Gemeinde ein vertragsreifes Angebot bereits seit langem vorliegt, kamen die Verhandlungen mit e.on nur äußerst schleppend voran.

Beide Optionen unterscheiden sich zwangsläufig, da e.on als derzeitiger Netzbetreiber das Netz zur Pacht in die zu gründende Gesellschaft einbringen wird, während bei einer Kooperation mit den Stadtwerken Schwäbisch Hall das Netz von e.on abgekauft werden muss. Im ersten Fall bezahlt die neue Gesellschaft jährlich Pachtzins an e.on, im zweiten Fall müssen die Stadtwerke Schwäbisch Hall und die Gemeinde Olching den Kaufpreis für das Netz aufbringen, welches dann sofort ins Eigentum der neuen Gesellschaft übergeht. Bei der Kooperation mit e.on/Stadtwerke FFB sollen die Kunden unter Anrechnung eines festgelegten Preises, den die Gesellschaft an e.on zu entrichten hat, in die neue Gesellschaft eingebracht werden, während bei der Option mit den Stadtwerken Schwäbisch Hall die neue Gesellschaft ihre Kunden gewinnen, d.h. von ihren Vorteilen überzeugen muss. Mit den Stadtwerken Schwäbisch Hall wird die neue Gesellschaft in zentraler Lage Olchings einen Kundenservice vor Ort anbieten, während bei der Option mit e.on der Aufbau des entsprechenden Personals nur dann stattfinden wird, wenn dies von der Gesellschaft beschlossen wird. In den vorliegenden Wirtschaftlichkeitsberechnungen ist eigenes Personal nicht vorgesehen. Auch beim Blick über unsere Gemeindegrenzen hinweg in die Gefilde der  KOM-Energie suchen wir vergeblich nach einem lokalen Servicezentrum.

Doch nun zu den im CSU-Infoblatt aufgestellten Behauptungen im einzelnen:

  • die Stadtwerke Schwäbisch Hall werden als „fremde Gesellschaft“ einem „bewährten Partner“ (e.on) und einem „erfahrenen Nachbarn“ (Stadtwerke FFB) gegenübergestellt. Damit bedient sich die CSU hinlänglich bekannter Diskriminierung auf niederstem Niveau. Und ganz nebenbei bemerkt: haben die Kolleginnen und Kollegen jedes Mal geschlafen, wenn sich die Stadtwerke Hall präsentierten bzw. deren Konzepte erörtert wurden?
  • laut CSU gilt über den Wert des Netzes „Niemand weiß, wie viel es wert ist“ und „Notfalls wird die Regulierungsbehörde entscheiden und den Preis irgendwo zwischen Zeit- und Ertragswert ermitteln“. Das ist beachtlich: die CSU will also mit ihrem Votum für e.on ein Netz ohne Kenntnis von dessen Wert pachten und über Jahre hinweg eine Pacht dafür bezahlen. – der Volksmund spricht in einem solchen Fall vom „Kauf einer Katze im Sack“. Wir wollen uns nicht auf den Notfall verlassen, sondern beim Netzkauf den tatsächlichen Wert kennen. Bei bereits getätigten Netzübernahmen zeigte sich, dass die Netze zum Sachzeitwert abzugeben sind, was bereits gerichtlich bestätigt wurde.
  • weiter wird behauptet, dass „es trotz des bestehenden Monopols des Netzbetreibers keine Monopolgewinne gibt, da die Preise für die Strom-Durchleitung reguliert werden“. Richtig ist, dass die Gewinne durch die Regulierung beschnitten wurden und damit unangemessene Gewinne ausgeschlossen werden. Der CSU zufolge „lässt sich also eine Rendite nur erzielen, wenn das Netz überdurchschnittlich gut betrieben wird“. Das sollte doch unser Ziel sein, überdurchschnittlich gut zu arbeiten und dazu wollen wir die Kooperation mit einem kompetenten und engagierten Partner! Ganz abgesehen davon, schielen wir nicht nur nach einer möglichst hohen Rendite.
  • als Vorteil bei einer Kooperation mit den Stadtwerken Hall erkennt die CSU-Fraktion lediglich die Erfahrung in der lokalen Stromverteilung und der lokalen Energieerzeugung sowie die garantierte Verzinsung der Olchinger Einlage. Haben die Kolleginnen und Kollegen keine Kenntnis davon, dass die Stadtwerke Hall bereits reichlich Erfahrung mit der Netzübernahme im Bereich Strom, Gas und Wasser nachzuweisen haben? Dass sie vor allem auf Erneuerbare Energien und Kraft-Wärme-Kopplung setzen und in Olching eine eigene Stromerzeugung aufbauen wollen. Dass sie tatsächlich Arbeitsplätze (Kundenservice und Netzbetreuung) schaffen werden.
  • beim  Benennen der Nachteile hingegen, ist man fündig: eine Entfernung von „über 200 km“ scheint eine unüberwindliche Barriere darzustellen; das Netz müsste zu „einem noch unbekannten Preis“ gekauft werden (diese Aussage wurde bereits weiter oben kommentiert), „den die Strom Kunden aus Olching zu bezahlen hätten“. Wer würde denn die Pacht für das Netz an e.on bezahlen – vielleicht die CSU-Fraktion? Aber Spaß beiseite: in jedem Fall müssen sich die Kosten mit der Zeit amortisieren, sonst würde die Gemeinde fahrlässig handeln. Dazu wird bemängelt, dass die neue Gesellschaft „keine Stromkunden hat“ und „diese mit großem Aufwand geworben werden müssen“. Es wird hartnäckig ignoriert, dass die von e.on in Rechnung gestellten Kosten für den Kundenstamm nicht unumstritten sind. Und schließlich wäre Olching „dem fachlichen Vorsprung des einzigen weiteren Gesellschafters ausgeliefert“. Hier wird zum einen unterschlagen, dass die Stadtwerke Hall bereit sind, eine Option für die Aufnahme eines weiteren 100prozentigen Stadtwerkes in die Gesellschaft vertraglich vorzusehen. Zum andern benötigen wir den fachlichen Vorsprung und die Kompetenz – egal ob von einem oder zwei Mitgesellschaftern – dies als Abhängigkeit ins Negative zu kehren, bezeugt nicht zwingend Kompetenz und Sachverstand.
  • und hier der Königsweg der Olchinger CSU-Fraktion: „“e.on bringt seine Kunden und das Netz ein. Natürlich nicht umsonst, aber zu einem Preis, den die Stadtwerke FFB, weil fair, selbst mit bezahlen“. Hier ist richtig zu stellen, dass bei dieser Option weder die Gemeinde Olching noch die Stadtwerke FFB für das Netz bezahlen; vielmehr wird die neue Gesellschaft Pacht für das Netz an e.on abführen. Was auch immer darunter zu verstehen ist, dass die „Stadtwerke FFB den Betrieb z.T. technisch und wirtschaftlich vollständig führen werden“ – Fakt ist, dass dies bis dato nirgends schriftlich fixiert ist, sondern im Zusammenhang mit der Betriebsführerschaft immer e.on und Stadtwerke FFB genannt werden.
  • „Die Gesellschaft hat von Anfang an die bisherigen Kunden. Das ist vor allem wirtschaftlich als auch (? = eigene Anmerkung) wichtig, weil wir von ihr ökologische Energieberatung erwarten“. Was ist mit Sondervertragskunden z.B. mit zeitlich befristeten Verträgen mit Preisgarantie, die immer häufiger angeboten und abgeschlossen werden? Wie steht’s damit, dass jedeR KundIn seineN Stromlieferanten frei wählen kann? Und soll ökologische Energieberatung nur gegen Vorlage eines Kundenausweises gewährt werden?
  • schließlich erfahren wir: die neue Gesellschaft wird „nach eigener Entscheidung auch Strom zukaufen. e.on garantiert dabei günstige Preise“. Also was denn nun: entweder kauft die Gesellschaft (unabhängig) auf dem Markt ein, dann kann e.on keine günstigen Preise garantieren – oder sie kauft bei e.on zu einem garantierten Preis, wozu es allerdings vorheriger Absprachen bedarf. Plaudert hier Kollege Dr. Bauer etwa aus dem Nähkästchen?
  • „wir alle wissen: kein Stromkunde braucht politische Bevormundung“. Richtig! Was es jedoch dringend braucht, ist eine sachliche Information. Diesen Zweck erfüllt das als Bürgerinformation getarnte Pamphlet der CSU-Fraktion mitnichten – vielmehr heiligt mal wieder der Zweck die Mittel!

Bei den Überlegungen der Gemeinde darf die wirtschaftliche Rentabilität nicht ausschließliche Entscheidungsgrundlage sein. Vielmehr muss auch eine nachhaltige Energiepolitik im Fokus stehen: die Herausforderungen unserer Zeit lassen sich nur mit Energieeffizienz, Energieeinsparung, mit Nutzung regenerativer Energiequellen und regionaler Erzeugung bewältigen. Hier haben Stadtwerke ganz klar eine Vorbild- und Vorreiterfunktion, die viele in herausragender Weise erfüllen und damit belegen, dass dies durchaus auch aus wirtschaftlicher Sicht zu bewältigen ist. Dabei wird weder die sichere Stromversorgung gefährdet, noch handelt es sich um ideologische Experimente – wie uns die Olchinger CSU-Fraktion weismachen will. Um dem von Dr. Bauer geforderten Sachverstand etwas nachzuhelfen, empfehlen wir der CSU-Fraktion den Film „Das Schönauer Gefühl“, in dem die Entwicklung der Elektrizitätswerke Schönau von den Anfängen über die entstandenen Schwierigkeiten hin zum heutigen bundesweit führenden Ökostromanbieter anschaulich dargestellt wird.

Wer wie e.on und die weiteren Monopolisten weiterhin auf Kohleverstromung mit geringem Wirkungsgrad und enormer CO2-Freisetzung und die Nutzung der Kernenergie angesichts fehlender Endlager und katastrophaler Zustände in der Asse setzt, verfolgt keine nachhaltige zukunftsfähige Energieerzeugung und kann daher kein Partner für uns sein. Von der Strategie von e.on, die Stadtwerke FFB mit ins Boot zu nehmen und mit deren Engagement im Bereich regional erzeugter Energie/ erneuerbare Energien zu trumpfen,  lassen wir uns nicht blenden.

Ingrid Jaschke

Anmerkung der Verfasserin: nach meinem Verständnis gibt diese Gegenrede keine schützenswerten Betriebs- oder Vertragsgeheimnisse preis – zumindest jedoch nicht über den von der CSU-Fraktion in ihrer Darstellung geschaffenen Rahmen hinausgehend.

Verwandte Artikel