Ablehnung von Freihandelsabkommen TTIP & Co. in der aktuell bekannten Fassung beantragt

Nach ausführlicher Debatte im Hauptausschuss hat der Stadtrat in seiner Sitzung am 13.11.2014 den Empfehlungsbeschluss des Hauptausschusses einstimmig angenommen:

Der Stadtrat unterstützt die Position der kommunalen Spitzenverbände. Falls die Forderungen der kommunalen Spitzenverbände nicht berücksichtigt werden, lehnt der Stadtrat Olching diese Freihandelsabkommen (TTIP, CETA, TiSA) ab.

Dieser Beschluss liegt weit hinter unseren Forderungen zurück und beschränkt sich ausschließlich auf die Bereiche der Daseinsfürsorge.  Auch wenn dieser Beschluss mit Zustimmung der GRÜNEN erfolgte, halten wir unsere Positionen aufrecht und unterstützen mit europaweit mehr als 250 Organisationen die selbstorganisierte europäische Bürgerinitiative.

Antrag:

Die GRÜNE Fraktion stellt folgenden Antrag an den Olchinger Stadtrat:

(ein inhaltlich gleichlautender Antrag wurde von der Kreistagsfraktion auch an den Kreistag gestellt)

Bei den derzeit verhandelten „Freihandelsabkommen“

       TTIP (Transatlantic Trade and Investment Partnership – EU / USA),

       CETA (Comprehensive Economic and Trade Agreement – EU / Kanada) und

       TiSA (Trades in Services Agreement – multilaterales Dienstleistungsabkommen)

handelt es sich um eine „neue Generation“ von bi- und multilateralen Handelsverträgen. Diese Art von Verträgen stellen – nach allem was bisher bekannt wurde – einen massiven Eingriff in unsere kommunale Gestaltungshoheit und unsere kommunale Selbstverwaltung dar.

Daher lehnt der Stadtrat von Olching TTIP, CETA und TiSA in der derzeit bekannten Form ab und stellt folgende Forderungen:

       mindestens einE VertreterIn für die deutschen Kommunen nimmt ab sofort an den Verhandlungen teil und informiert die kommunalen MandatsträgerInnen in Deutschland über alle ihren Zuständigkeitsbereich betreffenden Inhalte der Verhandlungen,

       bevor sie verabschiedet werden, werden die ausgehandelten Vertragstexte von TTIP und TISA den Interessenverbänden der Kommunen und kommunalen MandatsträgerInnen in Deutschland zur Kommentierung vorgelegt,

       für diese Prüfung ist ein ausreichender Zeitraum vorzusehen,

       die Interessenverbände der deutschen Kommunen bekommen vor der Abstimmung über diese Abkommen die Möglichkeit zur Stellungnahme und Diskussion vor dem EU-Parlament beziehungsweise dem Deutschen Bundestag und Bundesrat,

       bei den Verhandlungen zum Freihandelsabkommen TTIP ist dafür Sorge zu tragen, dass bestehende europäische Umwelt-, Gesundheits- und  Sozialstandards künftig nicht als „Investitionshemmnisse“ durch ein Schiedsverfahren ausgehebelt werden können,

       der Bereich der öffentlichen Daseinsvorsorge unter Einschluss der öffentlichen Dienstleistungen (zum Beispiel Wasserversorgung und Abfallentsorgung) wird vom Geltungsbereich des Freihandelsabkommens ausgeschlossen, indem im Abkommen in einer Positivliste jene Bereiche aufgelistet werden, die vom Abkommen erfasst sein sollen.

Der Bürgermeister wird gebeten, die ablehnende Haltung des Stadtrats sowie seine Forderungen

a)     gegenüber dem Bayerischen und Deutschen Gemeinde- sowie Städtetag auszudrücken,

b)    den Mandatsträgern und Mandatsträgerinnen im Europäischen Parlament,

            im Bund und im Land bekannt zu geben und sie aufzufordern, den

            Abkommen in der derzeit bekannten Fassung nicht zuzustimmen,

      c)   der Bundeskanzlerin und dem Bundeswirtschaftsministerium gegenüber zum

            Ausdruck zu bringen,

d)    der Öffentlichkeit bekannt zu geben. 

Begründung:

Es gibt verschiedene Aspekte, von denen wir als Kommune direkt betroffen wären:

1. Demokratie und Transparenz:

Derzeit finden zwischen der EU und den USA Geheimverhandlungen zum

Transatlantischen Freihandelsabkommen TTIP statt – unter Ausschluss der Öffentlichkeit. Zugang zu den Dokumenten haben hingegen 600 Vertreter von Großkonzernen. Nicht einmal die EU-Abgeordneten haben uneingeschränkten Zugang zu den Dokumenten. Und obwohl Städte und Gemeinden direkt betroffen sind, werden die kommunalen Spitzenverbände (Städte- und Gemeindetag, sowie Landkreistag) nicht in die Verhandlungen eingebunden. Dies entspricht nicht unserem Verständnis von Demokratie. Vielmehr muss die Einbeziehung in die Verträge so frühzeitig erfolgen, dass die Gestaltungsfähigkeit gegeben ist.

Daher fordern wir einen vollständigen Einblick in alle Verhandlungsdokumente, sowie die

Einbeziehung in die Verhandlungen. Dies fordern wir für TTIP, CETA und TiSA. 

2. Investitionsschutz für Konzerne

Internationale Konzerne erhalten ein Sonderklagerecht gegen demokratisch beschlossene Gesetze. Zwischen Staaten mit funktionierenden Rechtssystemen ist eine Investitionsschutzklausel überflüssig. Vielmehr stellen „private Schiedsgerichte“ ein Parallelrechtssystem dar, das grundlegende Prinzipien des Rechtsstaates unterläuft und Konzerne mächtiger macht als demokratisch gewählte Regierungen. Da sogar die Beschlüsse von Kommunen Anlass für solche Klagen sein können, würde dies dazu führen, dass wir uns in vorauseilendem Gehorsam, bei jedem unserer Beschlüsse überlegen müssten, ob sie eventuell die Gewinnerwartung eines Konzerns schmälern würden und somit eine Klage gegen den Staat nach sich ziehen könnten. Angesichts der Tatsache, dass in den letzten Jahren die Anzahl der Investor-Staat-Klagen sprunghaft angestiegen ist, stellen wir uns die Frage, wie viele solcher Klagen sich ein Staat, eine Stadt oder eine Gemeinde leisten kann? Wer bezahlt? Der Bund, die Stadt oder die Gemeinde?

Einen solchen Eingriff in unsere kommunale Entscheidungshoheit lehnen wir ab!

3. Kommunale Daseinsvorsorge, öffentliches Beschaffungswesen,

Dienstleistungssektor und Kommunale Selbstverwaltung

Kommunale Daseinsvorsorge (z.B. Wasserver- und Abwasserentsorgung, Energie)

Da bei diesen Arten von Handelsabkommen typischerweise die Regeln zum grenzüberschreitenden Handel mit Dienstleistungen und der Schutz ausländischer Investoren im Fokus stehen, ist zu befürchten, dass sie sich negativ auf die Organisationshoheit der Kommunen und die kommunale Handlungsautonomie auswirken. 

Dienstleistungssektor (Bauwesen, Transportwesen, Gesundheit, soziale Dienstleistungen… )

Immer mehr Bereiche des öffentlichen Dienstleistungssektors werden zum „allgemeinen

wirtschaftlichen Interesse“ deklariert. Dadurch werden die Gebietskörperschaften gezwungen, diese gemäß einer „Marktzugangsverpflichtung“ im Wettbewerbsverfahren (künftig weltweit?) auszuschreiben. Das Gemeinwohl muss in diesen sensiblen Bereichen weiterhin im Vordergrund stehen. 

Kommunale Selbstverwaltung

Obwohl die EU laut Lissabon-Vertrag und gemäß Subsidiaritätsprinzip nicht in die kommunale Selbstverwaltung eingreifen darf, duldet die Bundesregierung mit den Verträgen diesen Gesetzesübertritt. 

4. Stillstandsklausel und Ratchet-Klausel

Alle drei Handelsabkommen enthalten sowohl die Stillstands-, wie auch die Ratchetklausel. Die Stillstandsklausel legt fest, dass nach Einigung auf einen Status der Liberalisierung dieser nie wieder angehoben werden darf. Die Ratchetklausel besagt, dass ein staatliches Unternehmen, wie etwa die Stadtwerke, das einmal von einem privaten Investor gekauft wurde, niemals wieder rekommunalisiert werden darf. Es hat sich in jüngster Vergangenheit gezeigt, dass – aus guten Gründen – zahlreiche Privatisierungen öffentlicher Güter wieder in die öffentliche Hand zurückgeführt wurden.

Daher lehnen wir solche „Endgültigkeitsklauseln“ ab. Vielmehr ist zu beanstanden,

dass keine generelle Austrittsklausel formuliert wurde.

Für Vereinbarungen, die derart weitreichend in die kommunale (und staatliche) Regulierungshoheit eingreifen, bedarf es Standards der Transparenz und der demokratischen Legitimation, auch wenn es sich um internationale Abkommen handelt. Deswegen fordern wir die Einbeziehung der Öffentlichkeit, sowie eine sofortige Beteiligung der kommunalen Spitzenverbände. Aus den genannten Gründen lehnen wir diese „neue Generation“ von Handelsabkommen ab und setzen uns bei den entscheidenden Stellen dafür ein, die Abkommen in der derzeit bekannten Form abzulehnen.

gez. Ingrid Jaschke

Nachtrag:

Nach ausführlicher Debatte im Hauptausschuss hat der Stadtrat in seiner Sitzung am 13.11.2014 den Empfehlungsbeschluss des Hauptausschusses einstimmig angenommen:

Der Stadtrat unterstützt die Position der kommunalen Spitzenverbände. Falls die Forderungen der kommunalen Spitzenverbände nicht berücksichtigt werden, lehnt der Stadtrat Olching diese Freihandelsabkommen (TTIP, CETA, TiSA) ab.

Dieser Beschluss liegt weit hinter unseren Forderungen zurück und beschränkt sich ausschließlich auf die Bereiche der Daseinsfürsorge.  Auch wenn dieser Beschluss mit Zustimmung der GRÜNEN erfolgte, halten wir unsere Positionen aufrecht und unterstützen die selbstorganisierte europäische Bürgerinitiative

 


 

 

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